Als ernsthafter Freerider ist man immer auf der Suche nach neuen Lines. Man studiert Karten, überlegt mögliche Anstiegs- und Abfahrtsrouten. Oder man sieht unterwegs perfekte Lines direkt im Gelände. Manchmal am Gegenhang, manchmal irgendwo in weiter Ferne am Ende eines Tal.
Und so sammelt man nach und nach zahlreiche Projekte für den Winter, immer bereit den Bedingungen entsprechend das Passende aus der Schublade zu ziehen. Für den heutigen Tag hieß das für uns den Anstieg auf das Fellimännle (2209m) anzugehen.
Der Hang unterhalb des Fellimännle-Gipfels ist vom Hochjoch aus gut einzusehen. Bei den derzeitigen eher kritischen Lawinenverhältnissen bietet sich der weite und flache Hang als sichere Alternative an. Dank langem Zustieg durch das Silbertal wird der Fellimännle-Hang nur selten befahren. Um den Zustieg zumindest ein bisschen abzukürzen fahren wir heute vom Hochjoch aus ab.
Da der Wetterbericht für heute nur ein kurzes Sonnenfenster zwischen 10 und 12 Uhr Vormittags ankündigt, verspuren wir die vorhandenen Tiefschneehänge am Hochjoch bis sich unser Wetterfenster aufmacht.
Perfekte Tiefschneeabfahrt vom Hochjoch
Pünktlich wie vorhergesagt tauchen die Sonnenstrahlen durch das Nebelmeer und der Höhenwind legt den blauen Himmel frei. Vor uns liegt ein jungfräulicher Pulverhang wie er im Buche steht.
Wir ziehen unsere Schwünge in einem perfekten Hang und frischen unser First-Line-Konto wieder auf. So schön kann tiefschneefahren sein. 😀
Nach dem weiten, flachen Abfahrtshang erreichen wir die Baumgrenze und es folgt direkt eine schöne Waldschneise.
Die Schneise wird schmaler und wir folgen dem Sommerwanderweg weiter nach unten durch traumhaften Tiefschnee. Hier ist nun volle Konzentration gefragt, Treeruns durch eng stehende Tannen erlauben keinen Fehler. Wir brausen mit voller Geschwindigkeit durch.
Am Ende geht es nochmals freudejuchzend über den finalen Pulverhang und wir legen noch ein paar schöne Sprungeinlagen ein.
Aufstieg vom Silbertal
Ab hier folgen wir dann einem Ziehweg weiter dem Sommerweg entlang bis zur Wegkreuzung Richtung Fellimännle. Hier bauen wir unsere Splitboards in den Aufstiegsmodus um und es geht weiter im tief verschneiten Wald durch das Wasserstubental Richtung Gipfel.
Neben einem Bachverlauf wird der Schnee auf einmal feucht, die Felle stollen auf. Jeder Schritt wird schwerer und schwerer, alle 15-20 Meter müssen wir stehenbleiben und gefühlte 10kg Schnee von den Aufstiegsfellen kratzen. Der Schweiss läuft uns mittlerweile aus allen Poren, der schwere Schnee und das dauernde Aufstollen zollen ihren Tribut. Die Sonne ist mittlerweile hinter den Wolken verschwunden und langsam senkt sich der weisser Nebel wie ein Vorhang über das Tal. Das Licht wird flach und diffus und es beginnt zu schneien.
Der Anstieg zieht sich scheinbar endlos in die Länge, Kilometer um Kilometer ziehen wir durch den Schnee und machen dabei kaum Höhe. In zwei Stunden machen wir gerade mal 120 Höhenmeter!
Es gäbe also zahlreiche Gründe umzukehren, innerlich überlegt jeder von uns es hinzuschmeissen. Doch jetzt aufgeben, nach endloser Plackerei und für eine Abfahrt durch einen lächerlichen Ziehweg? Wir formen ein stilles Bündniss, wechseln uns im Spuren ab und gehen weiter, Meter um Meter. Wie Maschinen arbeiten wir uns meditativ weiter nach oben.
Als wir endlich die Baumgrenze hinter uns lassen und die Aufstiegsspur in den Tiefschneehang legen, ist die Sicht ist gleich Null. So trocken und verlockend der Pulverschnee nun auch ist, im Schneetreiben bis zum Gipfel aufzusteigen scheint uns wenig sinnvoll. Wir einigen uns noch zumindest bis zur Gretschalpe weiterzugehen.
Dort angekommen machen wir kurz Rast und genießen nochmals die Einsamkeit abseits der Massen im Skigebiet gegenüber. Hier drüben, nur ein Tal weiter kann man sich noch als Entdecker fühlen und hat all den Tiefschnee für sich allein. Den ganzen Tag treffen wir keine Menschenseele, nur zwei Gämse kreuzen einmal unseren Weg.
Zeit für die Abfahrt
Wir besprechen kurz unsere weitere Abfahrtsstrategie und bauen gleichzeitig die Splitboards in den Abfahrtsmodus um.
In der Sekunde in der wir in den Hang einfahren bricht die Sonne durch das Nebelmeer und ein paar Minuten später machen die letzten Schneeflocken Platz für den blauen Himmel. Solche Momente entschädigen für all die Strapazen, es wartet erneut eine wunderbare Tiefschneeabfahrt. Wir werden mit 30cm frischem Pulverschnee belohnt. Knapp vor der Baumgrenze lassen wir noch einmal unseren Blick auf das wunderbare Panorama und zurück auf das Traumgelände hinter uns schweifen. Einfach perfekt, mit Worten nicht zu beschreiben.
Mittlerweile hat der Föhn eingesetzt und bläst die Wolken aus dem Silbertal. Nie hätten wir gedacht das wir heute nochmal blauen Himmel sehen würden.
Der Wetterbericht hatte für heute dichte Bewölkung und Schneefall ab Mittag vorhergesagt. Hier zeigt sich einmal mehr das man nicht allzuviel auf Wetterprognosen geben sollte und es öfters einfach probieren muss. Rausgehen und machen ist die Devise! Denn auch ein schlechter Tag in den Bergen ist besser als den ganzen Tag auf der Couch zu sitzen.
Der Blick zurück ins Silbertal und auf den Abfahrtshang lässt alle Strapazen vergessen. Ich werde mit Freude daran zurückdenken wenn ich am Montag wieder im Büro sitze.
Ziemlich cool! Tolle Fotos, toller Bericht!
Hi, danke schön! Freut mich wenn es dir gefallen hat 🙂
Coole Tour! Leider zum Teil durch Wildruhezonen, was ziemlich teuer werden kann 🙁
Hallo Stefan, danke für deinen Kommentar. Zu den Wildruhezonen schreibt das Land Vorarlberg: „Wildruhezonen dürfen von jagdfremden Personen nicht betreten werden. Dies gilt jedoch nicht für die Benützung von Straßen, Wanderwegen, Schiabfahrten und Loipen, die für die allgemeine Benützung bestimmt sind“. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren ob ein markierter Wanderweg im Winter als Abfahrt genutzt werden kann. Meiner Meinung nach ist in diesen Zonen bereits ein Gewöhnungseffekt vom Sommer vorhanden, aber schlußendlich muss jeder für sich selbst entscheiden. Als Option bleibt einem immer noch der Wanderweg durch das Silbertal als Zustiegsvariante zum Fellimännle.