Wir laufen durch komplette Dunkelheit. Nur die schmalen Lichtkegel unserer Stirnlampen leuchten uns spärlich den Weg. Um uns herum nur kalte, schwarze Nacht. Schwitzend quälen wir uns durch die Finsternis den Berg hoch. Es liegt kein Schnee, darum schleppen wir neben schwer beladenen Rucksäcken zusätzlich unsere Splitboards auf dem Rücken. Es beginnt zu schneien und weit und breit ist keine Hütte in Sicht. Was zur Hölle hat uns bewegt hierher zu kommen?
Das Frühjahr bietet mit gemäßigten Temperaturen, langen Tagen und sicheren Verhältnissen ideale Voraussetzungen um entlegene Bergregionen zu erkunden. Nachdem es im April eigentlich erst so richtig winterlich wurde (mehr dazu im Blogbeitrag Freeriden am Arlberg), war die Motivation auch nach Liftschluss weiter freeriden zu gehen sehr hoch. So machten wir uns Ende Mai auf ins südliche Graubünden. Beim Wetter haben wir wieder mal gepokert. Für dieses Wochenende waren sehr wechselhafte Bedingungen angesagt. Dichte Bewölkung, Nebel und Schneefall. Dazwischen soll es dann immer wieder Sonnenfenster geben. Die Frage ist nur – wie lange sind die Sonnenfenster offen? Aber wer nichts wagt kann auch nichts gewinnen, wir lassen es drauf an kommen.
Nachdem wir am Freitag erst am späten Nachmittag angereist sind, wird es schon dunkel als wir uns vom Parkplatz zu unserem Biwakplatz aufmachen. Im Licht der Stirnlampen geht es vom Julierpass aus Richtung Lagerplatz. Zuerst laufen wir über braune Wiesen, nirgends ist Schnee zu sehen. Das Gepäck mit Zelt-Equipment und Verpflegung für die nächsten Tage wiegt schwer.
Jeder fragt sich wohl die selbe Frage: war das eine gute Idee hierher zu kommen? Still kämpft sich jeder mit seinem Ballast den Berg hoch. Und dann ist es endlich soweit: Schnee statt matschiger Wiese. Endlich können wir die Snowboards vom Rücken nehmen und im Aufstiegsmodus mit Steigfellen weitergehen. Mit weniger Gewicht am Rücken läuft es sich merklich leichter.
Es beginnt zu schneien. Wo war jetzt nochmal unser geplanter Lageplatz? Auf der Karte hatten wir ein flaches Hochplateau gesehen. Aber im Dunkeln ist nicht ganz klar wie weit es bis dahin noch ist. Das Gepäck wiegt schwer, aber wir ziehen unermüdlich weiter den Berg hoch. Irgendwann sind wir dann tatsächlich oben. Vor uns liegt eine dunkle, weite Fläche. Wir haben unseren Lagerplatz gefunden.
Nach einem langem Anstieg durch Dunkelheit und Schneetreiben werden rasch die Zelte aufgestellt und jeder von uns ist froh in den warmen Schlafsack kriechen zu können.
Am nächsten Morgen schneit es immer noch leicht und die dichte Bewölkung macht ein frühzeitiges Aufbrechen wenig sinnvoll.
Dank der frühlingshaften Temperaturen der letzten Tage plätschert sogar ein Bach nebenan, gespeist vom schmelzenden Schnee der umliegenden Berge. Das macht das Leben leichter und wir ersparen uns das zeitintensive Schneeschmelzen.
Es wird also erstmal ein feines Outdoor-Frühstück zubereitet: Kaffee, Tee und leckere Haferflocken.
Nachdem wir uns alle mit Apfel-Porridge satt gegessen haben und die Thermoskannen mit Tee befüllt sind kann es losgehen.
Gut gestärkt machen wir uns auf um das weitläufige Gelände rund um unser Basecamp zu erkunden. Die neblige Stimmung lässt uns die erste Tour entspannt angehen. Erstmal gemütlich hochlaufen, vielleicht wird die Sicht ja besser. Von der Sonne ist jedenfalls noch nichts zu sehen.
Wir sind spät dran dieses Jahr, die Schneedecke ist auch hier oben nicht mehr vollkommen geschlossen. Immer wieder sind Wiesenstücke zu überqueren.
Bereits während des Aufstiegs kündigen die ersten kleinen Wolkenfenster eine Wetterbesserung an. Zum Glück lag der Wetterbericht nicht komplett daneben!
Stress um die „First Line“ brauchen wir uns keinen zu machen, wir sind die einzigen Menschen weit und breit. Auf einem Plateau machen wir kurz Pause und genießen die Landschaft sowie unsere mitgebrachten Snacks. Und während wir uns noch fragen ob wir im leicht diffusem Licht abfahren sollen, kommt nach und nach immer mehr die Sonne durch.
Der Weg zum Gipfel ist südseitig schneefrei, also tragen wir unsere Boards Richtung Gipfel hoch. Der Gipfelbereich ist relativ steil, hier heißt es vorsichtig sein beim Anschnallen der Snowboards.
Das kurze Warten auf ein Sonnenfenster wird mit perfektem Firn belohnt. Auf die steile Gipfelrinne folgt ein weiter, offener Hang. Fahrvergnügen pur und jeder in der Gruppe findet seine eigene, perfekte Abfahrtslinie.
In den Schattenstellen liegt zum Teil noch trockener Pulverschnee. Wir schießen Vollgas durch die Rinne und dann wird Powder gesurft. Ab und zu ziehen Wolken durch, doch die Sicht bleibt passabel.
Stairway to slushy heaven
Bevor es zurück Richtung Camp geht, steigen wir nochmal auf. Ein schneefreier Steinrutsch bildet eine perfekt begehbare Treppe den Hang hoch. Wir taufen die Stiege „stairway to slushy heaven“.
Die Treppe macht den Firnhang schnell und ohne viel Energieaufwand erreichbar.
So reiht sich Abfahrt an Abfahrt bis die Sonne hinter den Bergrücken verschwindet und der Nebel wieder über die Landschaft zieht.
Der letzte Run des Tages ist etwas steiler und wir lassen es so richtig laufen. Denn der Magen knurrt und es wird Zeit für das Abendessen.
Zurück ins Basecamp
Auf dem Rückweg zu unseren Zelten versinkt die Landschaft im dichten Nebel und es beginnt wieder zu schneien.
Zurück im Camp werden mit leckeren Käsespätzle die Energievorräte für den nächsten Tag aufgefüllt. Dank Kartenspielen und Schnaps verbringen wir noch einen lustigen Abend im Zelt und das schlechte Wetter spielt nur noch eine Nebenrolle.
Nebelsuppe zum Start in den neuen Tag
Am frühen Morgen des nächsten Tages erwartet uns eine dichte Nebelsuppe zum Frühstück.
Das neblige Wetter lässt uns entspannt zur Ruhe kommen. Wir schöpfen erstmal Wasser aus dem nahen Gebirgsbach und bereiten uns ein feines Frühstück zu. Der Kaffee macht uns wach und die Haferflocken mit Nüssen geben Energie für den Tag.
Und pünktlich als wir mit unseren Splitboards losmarschieren reißen die Wolken am Horizont auf.
Wird es etwa doch noch sonnig heute? Auf einmal geht es schnell und die Wolken ziehen davon. Ab sofort bietet sich eine traumhafte Aussicht auf die umliegenden Graubündner Gipfel.
Bei perfekten Frühlingsbedingungen lassen wir unser Camp hinter uns und steigen Richtung anvisierten Hang auf. Langsam wandelt sich die harte Schneekruste wieder in perfekten Firn. Mehrmals erklimmen wir den Hang um die weichen Schneewächten immer wieder neu abzusurfen.
Leider rollt bald wieder eine Schlechtwetterfront von Norden an und die Sicht wird wieder diffuser. Doch so einfach lassen wir uns den Spaß nicht verderben und ziehen noch ein paar Schwünge in den Schnee.
Nach zwei Tagen im Zelt und einigen großartigen Abfahrten ist es an der Zeit unser Camp wieder abzubauen und das Equipment zu verstauen. Auf dem Weg nach unten nutzen wir jeden Meter Schnee und fahren auf einem weißen Band zwischen grünen Wiesen. Im Gegensatz zum Aufstieg im Dunkeln ist jetzt perfekt zu sehen wo noch Schnee vorhanden ist. Gemütlich cruisen wir über ein Schneeband, das sich durchgehend bis fast nach unten schlängelt.
Und so kurven mit unseren Snowboards Richtung Ausgangspunkt zurück. Am Ende geht es dann noch zu Fuß über eine karge Wiese zurück ins Tal.
In der Wiese sprießen schon die ersten Frühlingsblumen. Der Sommer kann kommen, mit dieser Tour ist der Winter erstmal abgehakt.
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sau geil !!!!
Danke, freut mich wenn’s dir gefallen hat!
wann genau wart ihr unterwegs?
Im Mai, wir wollten nicht wahrhaben das der Winter vorbei sein soll 🙂